Nachbericht Disrupt Tesla

Die Aktionstage gegen die Tesla-Gigafactory in Grünheide liegen hinter uns. Wir haben uns mit Menschen aus verschiedenen Städten beteiligt und einige wertvolle Erfahrungen und Eindrücke gesammelt.

Am Wochenende vom 9.-12. Mai gab es seit längerem erstmals wieder eine bundesweit geplante Mobilisierung der Klimabewegung mit Aufruf zu direkten Aktionen gegen den Ausbau der Tesla-Fabrik. Im Spannungsfeld zwischen dem Protest der lokalen Bürger:innen-Initiative, der Situation der Beschäftigten, der dauerhaften Waldbesetzung auf dem potenziellen Baugelände und nicht zuletzt der internationalen Dimension des Konzerns, ergeben sich interessante politische Dynamiken. Das Wochenende selbst war geprägt durch vielfältige Aktionsformen: Offen zugängliche Massenaktionen, verdeckt geplante Finger, Sabotage, Mahnwachen, spontane und angemeldete Demonstrationen und Blockaden. Mehr Informationen und Bilder und Videos von den Aktionen findet ihr auf den offiziellen Kanälen von Disrupt und Tesla den Hahn abdrehen.

Politische Themen

Der Fokus der Proteste war und ist ganz klar der Konzern Tesla. Tesla steht symbolisch für die Absurdität des kapitalistischen Wirtschaftssystems und seine Feindlichkeit gegenüber Mensch und Natur. Die Gigafactory gefährdet die Wasserversorgung der sowieso schon von Trockenheit geprägten Gegend, die Arbeiter:innen müssen unter besonders beschissenen Bedingungen die pseudo-grünen Luxus-E-Autos zusammenschrauben und der Besitzer Elon Musk, seines Zeichens reichster Mann der Welt, fällt immer wieder mit größenwahnsinnigen Eskapaden auf. Also viele und vermittelbare Anknüpfungspunkte. Gut, dass trotzdem nicht nur Tesla, sondern auch andere Automobilkonzernen kritisiert und auch am Protestwochenende klar gemacht wurde, dass alle Automobilkonzerne eine besondere Rolle für das deutsche Kapital und die kapitalistische Wirtschaft haben. Mit Parolen und Transpis konnten wir dazu passend die Verbindung zu den Protesten gegen die Autoschau IAA schlagen. Wichtig auch, dass an der Kritik an Konzernen nicht halt gemacht, sondern die Systemfrage gestellt und eine klare Perspektive formuliert wurde.

Auf dem Camp, den Demos und Aktionen wurde dementsprechend durch Materialien, Parolen und Diskussionen deutlich, dass nicht nur reine „Klimathemen“, sondern linke, internationalistische und auch sozialistische Perspektiven eine Rolle spielen. Die multiplen Krisen des Systems und die Erkenntnis, dass die Klimakrise im Kapitalismus nicht oder nicht rechtzeitig aufgehalten werden kann, spiegelt sich glücklicherweise immer mehr in der Bewegung wieder. Ein Teil davon ist auch, dass man im Kampf für eine klimagerechte Welt im Kontext von Ressourcenraub und weltweiter Ungleichheit unweigerlich auf die historische Unterdrückung durch Kolonialismus und Imperialismus stößt. Folgerichtig, dass der überwiegende Teil der Aktivist:innen sich offen solidarisch mit dem palästinensischen Volk und gegen die israelische Besatzung und den Krieg in Gaza positionierten. Auch die Aktivist:innen aus der Waldbesetzung zeigten offensiv Haltung in diese Richtung. Bei der ideologischen Hetze um die Palästinafrage, die von den Herrschenden aktuell betrieben wird, eine positive Erfahrung der internationalen Solidarität der deutschen Linken. Besonders interessant ist dies im Kontext der Spaltungslinie, die seit letztem Jahr entlang der Palästina-Solidarität durch die weltweite Fridays for Future-Bewegung geht, und die vor allem zwischen (rechter) FFF Deutschland-Führung vs. FFF der restlichen Länder geht. Zeichen wie diese könnten eine Bestärkung sein, die Frage innerhalb der Klimabewegung in Deutschland nochmal offensiver zu führen.

Natürlich sind die Positionen in der Klimabewegung sehr heterogen und teilweise auch nicht ausformuliert. Aber dass ein Großteil der aktionistischen Klimabewegung außerhalb symbolischer Klimastreiks antikapitalistische und internationalistische Inhalte und auch eine antagonistische Haltung gegenüber dem Staat mitträgt, ist aber ein bestärkender Faktor, an den wir anknüpfen und uns aufbauen können.

Straßenpraxis und Repression

Die militante Klimabewegung ist lebendig und es nahmen am Freitag fast 1000 an Aktionen teil, die den legalen Rahmen sprengten. Und das obwohl die Bullen das Tesla-Werk wie eine Festung mit Hundertschaften und Wasserwerfern und zusätzlichen Zäunen gesichert hatten und auch trotz Diffamierung durch bürgerliche Politiker:innen im Vorfeld. Das ist eine Qualität, die die Klimabewegung, auch im Vergleich mit anderen politischen Feldern, weiterhin hat.

Gemeinsam zogen wir in zwei Fingern vom Camp los, um an einer Stelle nahe dem Werksgelände koordiniert von der Route auszubrechen, und durch den Wald den Zaun zu Tesla zu erreichen. An einer Stelle konnte der Zaun niedergerissen werden, mehrere Bullenketten wurden überrannt. Aufgrund der Weitläufigkeit des Geländes und der dynamischen Situation kamen die Bullen nicht umhin, sich mit der Standortsicherung und dem Freidrehen mit Pfefferspray und Schlagstock zu begnügen. Festnahmen oder gar Umschließen großer Gruppen waren kaum durchzusetzen.

Durch eben dieses Auftreten und eine starke Aufstellungin unseren Reihen auf der Demonstration am 2. Tag konnten wiederholte Angriffe der Bullen abgewehrt und weitere Verhaftungen verhindert werden. Auffällig war auch, dass die Bullen bei einem Teil der Angriffe offensichtlich nicht mit dieser Stärke rechneten.

Erfreulicherweise konnten an dem Wochenende bis auf eine Feststellung der Personalien eine Zahl dutzender Gefangener ohne Personalien abzugeben die Gesa verlassen. Das Vorgehen der Identitäts-Verweigerung muss aber je nach Situation sorgfältig geprüft werden und kann nicht als Allheilmittel, sondern ein taktisches Mittel gelten. So müssen einige Bedingungen erfüllt sein: Massencharakter der Aktionen mit zu erwartenden massenweisen Ingewahrsamnahmen, kollektives Durchziehen der ID-Verweigerung und Vorhandensein von entsprechenden Unterstützungs-Strukturen sowie eine Überlastung der lokalen Repressionsstrukturen. Nicht zuletzt eine ständige Überprüfung neuer technischer und juristischer Spielräume der Repressionsbehörden und Anpassung daran.

Dynamik und Massen

Das Agieren in dynamischen Massenaktion (auch im ländlichen Raum) ist ein Lernfeld, das sich nicht oft bietet. Die alltägliche Praxis konzentriert sich ja oftmals eher auf legale Demonstrationen, Arbeit im Betrieb oder Aktionen von Kleingruppen im urbanen Raum etc., währenddessen bringen Massenaktionen andere Herausforderungen und Chancen mit sich. Allein dadurch können uns daran aufbauen und Erfahrungen sammeln, auch wenn direkte politische Aktionsziele nicht oder nur teilweise erreicht werden.

Eine Herausforderung bei der Konzeption solcher Aktionen ist, alle Menschen, die sich öffentlichen Mobilisierungen anschließen wollen, ohne viel Informationen im Vorfeld preisgeben zu müssen, nahe an das Ziel zu führen. Bei den Tesla-Aktionen hat dies gut funktioniert indem aus einer angemeldeten Demo gut getimed und koordiniert ausgebrochen wurde, und der Rest des Fingers sich der entstandenen Bewegung angeschlossen hat. Es gibt hier aber verschiedene Konzepte, die stetig weiterentwickelt werden müssen, und deshalb wichtig solche Aktionen zu nutzen und genau auszuwerten.

Massenaktionen bieten die Möglichkeit, das Gefühl einer scheinbar militärisch überlegenen Staatsgewalt zu durchbrechen, wenn größere Massen kollektiv agieren und zum Beispiel Bullenabsperrungen überwinden. Das passiert aber in den seltensten Fällen spontan, sondern es müssen Strukturen vorher geschaffen werden und Einzelne entschlossen und gut vorbereitet vorangehen. Es wurde dabei in verschiedenen Situationen deutlich, wie wichtig Organisierung über die eigene Bezugsgruppen hinaus ist, und wie viel Gewicht auch eine überschaubare Gruppe an organisiert handelnden Menschen in einer größeren Masse haben können. Gezeigt hat sich das schon 2023 bei der Räumung von Lützerath, wo durch einen voranschreitenden entschlossenen Finger eine kraftvolle Dynamik von sehr viel mehr Menschen hervorgerufen wurde. In Grünheide hätte es hier ebenfalls noch mehr Potenzial gegeben, dass wir (als Klimabewegung und auch wir als organisierte Kommunist:innen) nicht voll ausnutzen konnten.

Bei der breit getragenen Demonstration am Samstag zeigte sich, dass wir durch organisiertes Auftreten, Schilder und gemeinsame Parolen schnell zum (auch inhaltlich) prägenden Akteur werden konnten, dem sich viele anschließen wollten.

Bestärkende Momente waren auch als sich spontane unangemeldete Demonstrationen gebildet haben, um Genoss:innen vom Bahnhof abzuholen, die aus Aktionen zurückkehrten. Wichtig ist, in solchen selbstbestimmten Momente dabei zu sein, sie voranzutreiben, und sich nicht anhand von Strömungslinien abzugrenzen.

Den Klimakampf führen!

Wir und viele derjenigen die gegen Tesla in Aktion waren, gehen gestärkt aus dem Wochenende hervor. Selbstermächtigungserfahrung gegenüber dem Staat, politische Debatten und Austausch mit anderen Akteuren der Klimabewegung und die Erfahrung des gemeinsamen Kampfes auch mit Genoss:innen aus verschiedenen Städten sind wertvoll und geben uns Kraft für die Zukunft. Weiterhin bleibt der Klimakampf ein wichtiges politisches Widerstandsfeld, an dem sich nicht nur politisch, sondern auch praktisch viel entwickelt. Die Herausforderung bleibt, ihn nicht isoliert, sondern in politischer Verbindung mit anderen Widersprüchen (Krieg, Internationalismus, betriebliche Kämpfen) zu führen und zu betonen, dass alle diese Widersprüche nur in einer sozialistischen Perspektive aufzulösen sind.