Der 1. Mai ist Kampftag der Arbeiter:innenklasse und stellt einen wichtigen Gradmesser für die Stärke der antikapitalistischen und revolutionären Bewegung in den jeweiligen Städten dar. Aus diesem Grund möchten wir als Kommunist:innen den 1. Mai 2021 in Karlsruhe nochmal mit einer politischen Einordnung beleuchten. Wir verstehen diese Einordnung als Ergänzung zum Bericht des Antikapitalistischen Bündnis Karlsruhe an dem auch wir uns gemeinsam mit einigen weiteren Gruppen für einen antikapitalistischen Ausdruck am 1. Mai beteiligten.
Als Klasse kämpfen – dort, wo die Klasse kämpft
2021 fand neben einer antikapitalistischen Beteiligung an DGB-Aktionen erstmals seit 2013 wieder eine revolutionäre 1. Mai-Demonstration in Karlsruhe statt. Vor allem hinsichtlich der Tatsache, dass das antikapitalistische Bündnis schon letztes Jahr die einzige Kraft war, die am 1. Mai auf die Straße mobilisierte, war eine Neuauflage der revolutionären Demonstration ein folgerichtiger Schritt. Auf der anderen Seite betrachten wir aber auch eine antikapitalistische Beteiligung an den Aktionen der verschiedenen DGB-Einzelgewerkschaften als unabdingbar. Klar, müssen wir immer wieder feststellen, dass der DGB und viele Gewerkschaftsfunktionär:innen nicht gerade die Triebfedern sind, die es bräuchte um eine wirkliche Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen zu erkämpfen. Dennoch sind sie aktuell die größten Organisationen von Arbeiter:innen in Deutschland und können eine Vielzahl von Arbeiter:innen auf die Straße mobilisieren. Als Kommunist:innen kann für uns der Bezugspunkt für eine wirkliche Veränderung nur das Proletariat sein, deswegen darf der 1. Mai aus unserer Sicht nicht nur Ausdruck der eigenen Bewegung sein, sondern muss auch immer im Verhältnis zu den realen Arbeitskämpfen der Gewerkschaften und Arbeiter:innen stehen. Dass durch die Unterstützung der DGB-Aktionen neben interessanten Gesprächen und Diskussionen auch einige Teilnehmer:innen der Gewerkschaftskundgebungen im Anschluss auf die revolutionäre Demonstration mobilisiert werden konnten, bestärkt uns in dieser Annahme und kann als politischer Erfolg betrachtet werden.
Revolutionäre Perspektiven auf der Straße
Wir erachten die revolutionäre Demonstration als wichtigen Fortschritt für die linke Bewegung in Karlsruhe. Dass über 600 Teilnehmer:innen an der Demonstration teilgenommen haben, zeigt deutlich auf, dass Gruppen und Treffen aus verschiedenen politischen Widerstandsfeldern gewachsen sind und über eine höhere Mobilisierungskraft verfügen als noch vor wenigen Jahren. Auch die Beteiligung vieler junger Menschen, die bisher politisch nicht organisiert waren macht klar, dass das letzte Jahr Pandemie vielen vor Augen geführt hat, dass der Kapitalismus kein gutes und sicheres Leben und Arbeiten für den Großteil der Bevölkerung bieten kann.
So richtig wir eine anschlussfähige Stoßrichtung unter dem Label „Antikapitalismus“ finden, so wichtig war es uns aber auch aufzuzeigen, dass es aus unserer Sicht eine klare Perspektive und einen Bruch mit den bestehenden, krisendeln Verhältnissen braucht. Aus diesem Grund fertigten wir ein Hochtransparent mit der Parole „Für eine Zukunft ohne Krisen: Klassenkampf, Revolution, Sozialsmus“ an und verteilten die 1. Mai-Zeitung von Perspektive Kommunismus. Um greifbare Gegenmacht zu entwickeln, muss die linke Bewegung aus ihrer Defensive herauskommen und statt einem pauschalen „Dagegensein“ auch Antworten und Lösungen auf reale Probleme entwickeln. Wir sind uns bewusst, dass das mit einem Hochtransparent auf einer Demonstration nicht getan ist, sondern sehen die ständige Weiterentwicklung unserer Theorie, deren Überprüfung in der Praxis und das Lernen aus Fehlern als eine der wichtigsten Aufgabe der Kommunist:innen.
Den Kapitalismus angreifen – aus verschiedenen Richtungen, mit verschiedenen Mitteln
Das kapitalistische Elend tritt an vielen Stellen zu Tage: Ob bei Ausbeutung am Arbeitsplatz, beim Klimawandel, patriarchaler Unterdrückung von Frauen*, der Rechtsentwicklung in Staat und Gesellschaft, wuchernden Mietpreisen oder vielem mehr. Durch Konkurrenz und Spaltung sowie dem Zwang der Gewinnmaximierung erschafft und verschärft das kapitalistische Wirtschaftssystem all diese Probleme und reproduziert somit ständig neue Krisen. Aus diesem Grund erachten wir es als notwendig, die verschiedenen Ausprägung dieses Systems auf verschiedenen Ebenen anzugehen. So wurden richtigerweise auch am diesjährigen 1. Mai viele verschiedene Bereiche der politischen Widerstandsbewegung mittels Redebeiträgen und Aktionen in die Demonstration eingebunden. Antifaschismus, der sich seine Mittel im Kampf gegen Faschisten nicht vom Staat diktieren lässt, Klima-Aktivist:innen die mittels einer Umgestaltung einer Bahnhaltestelle einen kostenlosen ÖPNV forderten, Frauen* die sich die Demo nahmen und ihre Forderungen mit rotem Rauch untermalten, aber auch Anwohner:innen, die mittels Bannerdrop gegen die steigenden Mieten demonstrierten. Wenn der Kapitalismus in allen Bereichen wütet, braucht es überall dort Widerstand. Dass sich diese Widerstandsfelder solidarisch aufeinander beziehen, ist für den Erfolg der kompletten linken Bewegung von elementarer Wichtigkeit.
Der Staat zeigt seine Zähne…
Wenn wir die bestehenden Verhältnisse kritisieren und angreifen, seien es noch so niederschwellige Aktionsformen, müssen wir dabei allerdings immer wieder damit rechnen, dass die Herrschenden ebenfalls bereit sind ihre Interessen mit aller Gewalt zu verteidigen. Ein hohes Polizeiaufgebot mit BFE und Hunden sowie das mehrmalige provokante Stoppen von Demonstrationen wegen Kleinigkeiten wie dem Aufhängen von Schildern gehören in Karlsruhe in den letzten Jahren eher der Seltenheit an. Dass sich dies bei der Wiederaufnahme der revolutionären Demonstrationen ändern sollte, ist kein Zufall sondern politischer Natur und eine Antwort auf die steigende Wut in der Bevölkerung, in der immer mehr erkennen, dass der Kapitalismus ihnen nichts zu bieten hat. Wenn wir den Kampf um eine befreite Gesellschaft ernst nehmen, dann dürfen wir uns nicht scheuen die Auseinandersetzung mit dem Staat, stellvertretend seiner Schergen in Uniform, zu führen. Wenn der Staat unsere Demonstrationen versucht einzuschüchtern oder wie in anderen Städten offen angreift, zeigt das zumindest, dass er uns als Gegner:innen ernst nimmt. Dass wir unsere Interessen am 1. Mai nicht militant gegen die Provokationen von staatlicher Seite durchsetzen konnten, lag vor allem daran, dass wir einerseits nicht gut genug darauf vorbereitet und andererseits zu schwach aufgestellt waren, das müssen wir uns selbstkritisch eingestehen. Militanz begreifen wir dabei nicht als Selbstzweck und denken, dass Auseinandersetzungen mit der Polizei taktisch gut überlegt, abgewogen und nicht um jeden Preis sein müssen. Dennoch zeugt es von greifbarer Gegenmacht, wenn wir uns kollektiv die Straße nehmen und unsere Forderungen nicht am Wohlwollen des Staates ausrichten, sondern immer nach Notwendigkeit für die politischen Ziele. Dass den Einschüchterungsversuchen der Bullen zum Trotz, verschiedene – zum Teil auch grenzüberschreitende – Aktionen durchgeführt werden konnten, verdeutlicht, dass wir uns im Kampf weder einschüchtern, noch spalten lassen.
Als noch relativ junge Struktur haben wir den diesjährigen 1. Mai gemeinsam ausgewertet und werden auf den größtenteils positiven Erfahrungen aufbauen und versuchen gemachte Fehler in unserer politischen Praxis künftig zu vermeiden. In Krisenzeiten werden zwar auf der einen Seite die Angriffe auf unsere Strukturen und fortschrittliche Bewegungen zunehmen, auf der anderen Seite bieten sie aber auch die Chance zu wachsen und eine Praxis zu entwickeln, die an den Problemen von weiten Teilen der Bevölkerung anknüpft und Gegenmacht erfahrbar werden lässt.
Für den Kommunismus!
Revolutionärer Aufbau Karlsruhe, Mai 2021