Einzelfälle am laufenden Band #Polizeiproblem

Veröffentlichung von Perspektive Kommunismus: Akzeptanz, Respekt, Gleichberechtigung, Teamarbeit und Vielfalt – Wer denkt bei diesen starken Worten nicht sofort an die deutsche Polizei? In einer aktuellen Werbekampagne der Berliner Polizei präsentiert sie sich besonders cool und selbstironisch als sympathische Gemeinschaft, die alles dafür gibt, diese Werte zu verteidigen. Und auch in den anderen Bundesländern klingen die Werbeslogans der Staatsdiener nach Menschlichkeit, Verantwortung und vor allem Vielfalt – dieses Wort scheint ihnen überhaupt das Wichtigste zu sein.

Warum eine so zwanghafte Imagepflege für eine Behörde, von der doch alle wissen, dass es im Einsatz und auf den Dienststellen nicht um Werte, sondern um klar definierte staatliche Aufgaben geht? Weil die Realität ein ganz anderes Bild zeichnet. Einige Schlaglichter:Letztes Jahr ist bundesweit eine ganze Reihe polizeiinterner Chatgruppen mit mehreren hundert Mit-gliedern aufgeflogen, in denen offen rassistische und faschistische Inhalte geteilt wurden. Bilder von Kegelabenden unterm Hakenkreuz, Witze über die Erschießung „illegaler Einwanderer“, die Bezeichnung des Islam als „fanatische Primatenkultur“ und Freude über Nazi-Gewalt gegen Linke. Offensichtlich beginnt der rechte Gedankenaustausch dabei immer wieder bereits auf Polizeischulen. Bekannt wurden diese Gruppen nur zufällig oder weil es Einzelnen zu weit ging. Was an ähnlicher rechter Stimmungsmache in der Polizei noch unter der Oberfläche schlummert, lässt sich nur erahnen.

Schnell gezückte Handykameras sorgen dafür, dass heute mehr und mehr öffentlich wird, wie selbst-verständlich und ohne Not Polizeikräfte beleidigen, schlagen, treten, den Knüppel schwingen oder Reizgas versprühen: Mehrere Prügelszenen vor allem gegen Jugendliche und Wohnungslose wurden im vergangenen Jahr durch Handyvideos öffentlich gemacht und haben bundesweit für Empörung gesorgt. Sogar laut offizieller polizeilicher Statistiken gab es allein 2019 1.500 angezeigte Körperverletzungen im Amt, von denen aber nur 2% zu Anklagen und weniger als 1% zu Verurteilungen führten. Eine aktuelle Studie der Universität Bochum geht von einer unwahrscheinlich höheren Dunkelziffer aus: Im Durch-schnitt ist danach jährlich von 12.000 Fällen von Polizeigewalt auszugehen. Das ist bei den minimalen Erfolgsaussichten einer Anzeige und dem hohen Risiko einer Gegenanzeige von der Polizei, die vor Gericht zusammenhält und maximale Glaubwürdigkeit genießt, ist nicht gerade überraschend.

Für wen diese Tendenzen besonders gefährlich sind, ist kein Geheimnis: Migrant:innen, Geflüchtete und Menschen, die ihrem Äußeren nach so eingeschätzt werden. Dass ein „nicht-deutsches Aussehen“ einer der häufigsten Gründe für „verdachtsunabhängige“ Personenkontrollen ist, dass eine nicht-weiße Hautfarbe ausreicht, um in demütigender Art und Weise nach Drogen durchsucht zu werden und dass es genügt, Migrant:in zu sein, um nach Auseinandersetzungen zuerst als Täter:in abgestempelt zu werden, ist Fakt in diesem Land. Warum das nicht offiziell anerkannt und mit Zahlen belegt werden kann, hat Bundesinnenminister Seehofer im vergangenen Sommer vorgeführt: Er hat eine Studie zum Rassismus-Problem im Polizeiapparat verhindert, weil er keinen Bedarf dafür gesehen hat. Das ist aus der Sicht des rechten CSU‘lers, der ein bisschen Rassismus im Apparat für seine Law-and-Order und Abschottungspolitik ganz gut gebrauchen kann, nur konsequent. Für alle, die einen solidarischen Zusammenhalt von unten wollen, bedeutet das einen klaren Gegensatz zu den Interessen des Staatsapparates.

Dass polizeilicher Rassismus in Deutschland nicht nur gefährlich, sondern auch tödlich ist, beweisen Recherchen der Kampagne „Death in Custody“: Seit 1990 sind 181 Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe in deutschem Polizeigewahrsam gestorben. Konsequenzen gab es für die Verantwortlichen nur in wenigen Fällen.

Besonders deutlich wird das ganze Problem mit den Verstrickungen von Polizei und faschistischen Netz-werken: Polizisten, die führende Teile von „Nordkreuz“ waren, einer Gruppierung, die Waffen und Munition hortete, Todeslisten anlegte, auf denen sie Linke und andere Andersdenkende aufführte, und sich auf den „Tag X“ der Machtübernahme vorbereitete. Hessische Polizisten, die unter verschiedenen Pseudonymen (u.a. SS-Obersturmbannführer und NSU 2.0) mit Hilfe von Datenabfragen auf Polizeirechnern hunderte Mord- und Bombendrohungen an Linke und andere Nazigegner:innen versendeten. Ein Berliner Polizist, der einen Geflüchteten zusammen mit acht anderen Männern krankenhausreif schlug und gleichzeitig Teil einer – über viele Jahre erfolglosen – Ermittlungsgruppe zur Aufklärung einer faschistischen Anschlagsserie gegen Linke in Neukölln war. Und ebenfalls im Zusammenhang mit der Neuköllner-Anschlagsserie: Zwei persönliche Morddrohung gegen Berliner Antifaschisten nach Personenabfragen zu den Betroffenen in einer Polizeidatenbank.

Die rechten und gewalttätigen Umtriebe sind nicht einfach ein Makel. Sie sind ein Teil der Polizei, der nicht im Gegensatz zum Sinn und Zweck ihrer Arbeit steht, sondern nur eine etwas härtere Gangart vor-legt. Die wesentliche Aufgabe der Behörde, die aktuellen Macht und Eigentumsverhältnisse zu schützen, ist mit Gewalt ohnehin, aber ohne Probleme auch mit Rassismus kombinierbar – schließlich sind Migrant:innen in Deutschland in der Mehrheit nicht die großen Profiteur:innen des Kapitalismus. Beim unverhältnismäßig harten Vorgehen gegen Linke, das zur festen Tradition der deutschen Polizei gehört, vereinen sich rechtes Gedankengut und der politische Auftrag der Polizei sogar: Aus der einen Perspektive ist die Prügelattacke gegen linke Demonstrant:innen politische Befriedigung, aus der anderen ist es effektive Gefahrenabwehr. Der immer wieder freundschaftliche und nachlässige Umgang der Polizei mit den rechten Corona-Demos passt in das Bild.Der Bruch mit dem Kapitalismus, geht nicht ohne Bruch mit diesem Polizeiapparat. Behörden, die soziale Ungleichheit festschreiben, rassistisch unterdrücken und sozialen Fortschritt zur Straftat machen, sind keine „Freunde und Helfer“. Die Alternative liegt in der Organisation unserer gemeinsamer Interessen und dem Aufbau politischer Gegenmacht von unten. Ein Leben in sicheren Verhältnissen geht nur ohne die Sicherheit der herrschenden Verhältnisse!

MIT MUT UND SOLIDARITÄT — POLIZEIGEWALT ENTGEGENTRETEN!