Auch in Karlsruhe gab es im eine Kundgebung im Kontext des bundesweiten Aktionstags unter dem Motto: Ihre Krise? #nichtaufunseremRücken. Organisiert wurde diese von der Initiative Perspektive aus der Krise. Ein Zusammenschluss verschiedener Personen aus unterschiedlichen Berufsfeldern, die sich zu Beginn der Corona-Pandemie gegründet hat um linke Antworten auf die Krise zu geben und praktische Solidarität mit Betroffenen zu organisieren. Die bundesweite Plattform Perspektive Kommunismus veröffentlichte kurz vor dem Aktionstag eine Krisenzeitung, die ihr hier heruntergeladen werden kann:
Mit dieser Zeitung wollen wir Position beziehen: Die Krise in der Industrie, das Gesundheitswesen als Geschäftsmodell, eine Politik zur Unterstützung der Krisenverursacher und ein angeblicher Corona-Protest, der die Herrschenden nicht im geringsten stört: Die Missstände und Widersprüche dieser Gesellschaft werden nicht von selbsternannten neutralen ExpertInnen erklärt, beantwortet und gelöst, sondern in einer Auseinandersetzung, an wir alle, die jeden Tag von ihnen betroffen sind, beteiligt sind. Die Zeitung soll einen kleinen Teil dazu beitragen.
Bericht zur Kundgebung in Karlsruhe:
Gegen 13 Uhr versammelten sich etwa 100 Menschen auf dem Friedrichsplatz um ihren Unmut über die momentanen Verhältnisse auf die Straße zu tragen. Der Platz war mit vielen Transparenten und Plakaten geschmückt und eine selbst gebastelte Installation veranschaulichte, dass Angestellte in verschiedenen Berufsfeldern auf der einen Seite als „systemrelevant“ eingestuft werden und auf der anderen Seite systematisch ausgebeutet werden. Eine Krankenschwester, ein Bauarbeiter und eine Kassiererin mit einem Schild auf dem zu lesen war „Wir sind relevant. Das System ist es nicht!“Als erste Rednerin sprach eine Vertreterin von „Krankenhaus statt Fabrik“ und berichtete aus erster Hand über die Verhältnisse in den Krankenhäusern. Hier wird seit Jahren privatisiert und unser Gesundheitssystem nach Profitintenessen umgekrempelt. Für die Angestellten heißt das vor allem, dass sich immer mehr Arbeit auf immer weniger Schultern verteilt. Dazu kommt, dass diese Berufsgruppen häufig noch schlecht bezahlt werden und für eine Pandemie mit viel zu unzureichenden Schutzausrüstungen ausgestattet waren. Die Folge dessen ist, dass 10% aller weltweiten Corona-Infizierten Beschäftige aus dem Gesundheitswesen waren. „Krankenhaus statt Fabrik“ steht für eine solidarische Bekämpfung der Pandemie, die konsequent das Leben von Menschen vor den Profit stellt und fordern, die Gesundheitsarbeiter*innen aktiv in ihren Arbeitskämpfen zu unterstützen. Weg vom Balkonbeifall hin zu echter Solidarität!
Nach dem kämpferischen Beitrag der Kollegin aus dem Krankenhaus wurde ein Grußwort vom AStA der Universität Landau verlesen. Dieser kämpft Seite an Seite mit den Beschäftigten aus dem Studierendenwerk Vorderpfalz. Hier wurden aufgrund von fehlender Unterstützung seitens des Landes Rheinland-Pfalz die Verträge von 51 Beschäftigten im Zuge der Pandemie nicht verlängert. Die Belegschaft ist nun massiv von Arbeitslosigkeit bedroht. Viele von ihnen sind Frauen, teils alleinerziehend. Der AstA fordert für die Mitarbeiter*innen einen Rettungsfond und die Abschaffung von befristeten Arbeitsverträgen.Ein weiterer Beitrag thematisierte die Lage von Frauen in unserer Gesellschaft besonders in Krisenzeiten. Frauen leisten einen enormen Beitrag in unserer Gesellschaft, befinden sich häufig in prekären Beschäftigungsverhältnissen und müssen sich zusätzlich noch unbezahlt um die allermeiste Haus- und Sorgearbeit kümmern. Das ist ein untragbarer Zustand. Immer wieder betonten die Moderator*innen, wie wichtig es ist, dass wir uns als Lohnabhängige auch branchenübergreifend zusammenschließen und organisieren um gemeinsam Widerstand gegen die ungleichen Zustände und die Angriffe auf unsere Lebens- und Arbeitsverhältnisse zu leisten.
Ein sehr präsentes Thema sind aktuell auch die skandalösen Bedingungen von Arbeiter*innen in der Fleischindustrie. Egal ob bei Tönnies in NRW oder Müller Fleisch in Pforzheim: Die Beschäftigten müssen hier harte Arbeit unter erschwerten Bedingungen leisten und werden in unmenschlichen Wohnbaracken untergebracht. Deswegen kommt es hier immer wieder und vermehrt zu sogenannten Corona-Hotspots. Über diese Situation berichtete Elwis Capece, der sich als Geschäftsführer der Gewerkschaft NGG (Nahrung, Genuss, Gaststätten) seit Jahren mit der unhaltbaren Situation in dieser Branche beschäftigt.Die Initiator*innen von Perspektive aus der Krise fordern deswegen „Weg mit dem Schweinesystem! Solidarisch kämpfen mit den Beschäftigten in der Fleischindustrie!Zum Schluss hörten wir noch einen Beitrag einer Sprecherin vom Bündnis gegen die neuen Polizeigesetzte in Baden-Würrtemberg. Schon Ende April gab es bundesweite Proteste unter dem Motto „Keine Quarantäne für Freiheitsrechte“. Während der Pandemie werden strittige Gesetzesänderungen, wie die Verschärfung der Polizeigesetze gerne im Schatten der Krise durchgepeitscht. Mit mehr Befugnissen für die Polizei rüstet sich der Staat auch gegen kämpferische Belegschaften, die sich in der Krise mit Streiks und Aktionen gegen die rabiaten Pläne von Konzernleitungen wehren. Nicht nur deswegen ist es wichtig, dieser Verschärfung eineklare Absage zu erteilen.Während der gesamten Kundgebung blieben immer wieder Passant*innen stehen, hörten den Beiträgen zu und informierten sich am Infostand.Nicht nur in Karlsruhe waren heute Menschen auf der Straße. In mindestens 16 weiteren Städten fanden Aktionen und Proteste unter dem Motto „Ihre Krise? #nichtaufunseremrücken“ statt.
Vernetzt in dem bundesweiten Zusammenschluss #nichtaufunseremrücken, bestehend aus verschiedenen Gruppen und Solidaritätsinitiativen, wurde dieser Aktionstag gemeinsam geplant.Nach Ende der Kundgebung zogen noch einige Aktivist*innen vor die Filiale von Karstadt Sport in der Kaiserstraße um dort ihre Solidarität mit den von Kündigung betroffenen Mitarbeiter*innen zu zeigen. Auch wenn noch nicht ganz sicher ist, ob die Karstadt Sport Filiale in Karlsruhe geschlossenwird, werden bundesweit 50 Geschäfte geschlossen. Und das obwohl der Eigentümer der Warenhauskette, René Benko, mit seinen 4,9 Milliaden Euro locker die Umsatzeinbußen ausgleichen könnte. Es wurden Schilder aufgehängt, Flyer verteilt und ein kurzer Redebeitrag verlesen.
Insgesamt erachten wir die Kundgebung als erfolgreich und werten sie als Auftakt für weitere Aktionen von Perspektive aus der Krise.