Der NATO in den Rücken fallen – Revolution statt Imperialismus und Krieg!

Am 19. Februar kommen im Münchner Luxus-Hotel „Bayrischer Hof“ zum 58. mal die führenden Köpfe der NATO-Kriegspolitik mit Top-Personal aus Militär, Rüstungsindustrie und Geheimdiensten zur sogenannten Sicherheitskonferenz zusammen. Auf dem privaten Forum zwischen Hinterzimmergesprächen und Eliten-Schaulaufen geht es darum, Strategien zur internationalen Durchsetzung wirtschaftlicher und politischer Interessen der westlichen Imperialisten zu verhandeln. Es geht um den Anspruch einer kleinen Elite bewaffnete Weltpolitik im Sinne des Kapitals zu machen.

In diesem Sinne haben die NATO-Staaten in den vergangenen Jahrzehnten in gemeinsamen Missionen den Nahen und Mittleren Osten mit Kriegseinsätzen überzogen und destabilisiert. Sie haben darauf hingewirkt den Balkan ethnisch zu zersplittern und in eine Kriegshölle zu verwandeln. Sie haben Libyen im blutigen Chaos versinken lassen, und sie patrouillieren auf dem Mittelmeer um den Kampf der EU gegen Geflüchtete zu unterstützen. Jetzt kündigt sich das nächste Kapital der NATO-Kriegsgeschichte an. Hinter uns liegen zwei Jahre chaotische Pandemieverwaltung, die nicht nur ökonomische, sondern auch politische Brüche vertieft hat. Die Schuldenlast ist in vielen Ländern enorm gestiegen und damit die Konkurrenz um Absatzmärkte. Gleichzeitig ist ein immer stärkerer Kampf um Ressourcen ausgebrochen. Das alles hat die Widersprüche zwischen den NATO-Blöcken USA und EU auf der einen und China und Russland auf der anderen Seite weiter verschärft. Mit dem Fantasiewort „Westlessness“ (z. dt. so viel wie Abwesenheit des Westens) fasst die SIKO-PR-Abeitung ihr Problem zusammen, dass die westliche Hegemonie am Bröckeln ist. China stellt die Vorherrschaft des kapitalistischen Westens jetzt schon in Frage und wird sie ernsthaft ins Wanken bringen. Russisches Kapital verwehrt dem westlichen Kapital uneingeschränkten Zugriff aufs russische Territorium und konkurriert mit ihm um Teile Osteuropas und des Mittleren Ostens.

Nicht nur gegen Krieg…

Der schwelende kalte Krieg gegen China und das offene Säbelrasseln gegenüber Russland machen deutlich, dass die Kriege um Ressourcen, Märkte und Einfluss von der Peripherie der Machtblöcke sich im Zeichen aggressiver Krisenpolitik auch bis in die Zentren hinein verlagern können. Die derzeitige Aufrüstung und Truppenverlagerung zeigt, dass auch eine direkte militärische Konfrontation zwischen NATO und Russland oder China möglich ist. Angesichts der atomaren Bewaffnung auf beiden Seiten wäre eine solche katastrophal. Es wäre aber ein Fehler allein daraus Ansätze und Wegrichtungen für Antikriegspolitik abzuleiten. Es gibt zwei Gefahren, die mit dem Fokus auf das Aufeinanderprallen der Machtblöcke und mit der erdrückenden Ohnmacht, dem nichts direkt entgegensetzen zu können, zusammenhängen:

→ „Solidarität mit Russland“ ist nicht unsere Parole. Wir verstehen, wenn man damit auf die Aggression des US- und EU-Imperialismus reagieren will. Dieser hat etliche Kriege vom Zaun gebrochen, Militärdiktaturen errichtet und unterstützt und ganze Länder für Ressourcen in Trümmerhafen verwandelt. Doch Solidarität kann sich für uns nie auf den Kurs der Herrschenden in den jeweiligen kapitalistischen Ländern beziehen. Solidarität bedeutet für uns einen gemeinsamen Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu führen, unsere Seite aufzubauen und den Kapitalismus – natürlich auch in Russland – zu stürzen. Diese Perspektive dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.

→ Wir wenden uns auch nicht „gegen jede Gewalt“. Angesichts der möglichen Eskalationsspirale im Konflikt zwischen hochgerüsteten Supermächten, verfallen viele in Pazifismus, also die Ablehnung jeder Gewalt.Das Problem hierbei ist, dass die wesentlichen Unterschiede zwischen Kriegen und den dahinterstehenden Klasseninteressen weniger zählen, als Moralvorstellungen: Dass Vernichtungs- und Besatzungskriege in der Geschichte mit antifaschistischen Partisanen- oder nationalen Befreiungskriegen beendet wurden, um Friedensperpektiven zu eröffnen, lässt sich nicht verstehen, wenn „Krieg und Frieden“, wie „Gut und Böse“, die einzigen Kategorien sind. Nach dem Beginn des 1. Weltkriegs hielten die revolutionären Sozialist:innen in Europa nicht ohne Grund daran fest, dass die einzige Möglichkeit dem imperialistischen Kriegstreiben ein Ende zu setzen und Befreigungsperspektiven zu eröffnen, der revolutionäre Bürgerkrieg ist. Die russische Oktoberrevolution, die wesentlich zum Kriegsende beitrug, bewies wie recht sie hatten. Revolutionärer Antimilitarismus entwickelt Perspektiven nicht aus dem Widerspruch zwischen Krieg und Frieden, sondern daraus, dem zerstörerische Charakter des Imperialismus eine konkrete antikapitalistische Politik entgegenzusetzen.

…sondern für revolutionäre Gegenmacht!

Um linke und revolutionäre Strategien gegen die Kriege der Herrschenden zu entwickeln, lohnt es sich dorthin zu schauen, wo Linke und Revolutionär:innen ganz konkret gegen die Kriege der Herrschenden kämpfen. Die NATO-Macht Türkei führt seit Jahrzehnten einen vielschichtigen Krieg gegen die kurdische Bevölkerung und hat dabei die Vernichtung der Befreiungsbewegung um die PKK im Fokus. Das ist in diesen Dimensionen möglich, weil sie von den westlichen Imperialisten politisch gedeckt wird und enge wirtschaftliche Beziehungen bestehen. Der sogenannte EU-Türkei „Flüchtlingsdeal“ und das Panzergeschäft vom Rheinmetall-Konzern mit der Türkei sind die besten Beispiele dafür. Der Widerstand dagegen ist heute ein wichtiger Orientierungspunkt für Revolutionär:innen auf der ganzen Welt, weil hier ein konkreter revolutionärer Prozess im Fokus steht. Das seit 2012 selbstverwaltete kurdische Rojava im Norden Syriens ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie in einer kriegsgebeutelten Region aus dem Widerstand gegen Imperialismus und Besatzung ein lebendiges revolutionäres Projekt erwachsen kann, das die Interessen der Bevölkerung gegen die Interessen von Kapital und Militärstrategen verschiedener Länder verteidigen kann. Der kurdische Widerstand ist aber auch deshalb so wertvoll, weil er sich über viele Ebenen erstreckt und längst keine exklusiv „kurdische“ Sache ist. Er schlägt sich in demokratischer Organisierung und Selbstverwaltung der Bevölkerung ebenso nieder, wie in einem hochprofessionellen Guerilla-Kampf, einer breiten Front politischer Untergrundorganisationen und Militanten, die Widerstand gegen türkische Bullen und Militärs in der Fläche organisieren, während Revolutionär:innen aus der Türkei und vielen anderen Ländern sich aktiv sowohl auf militärischer, wie auch auf ziviler Ebene beteiligen. Jetzt verschärft die Türkei ihren Kriegskurs gegen Rojava und das nicht zufällig während die kapitalistische Krise die türkische Innenpolitik ins Wanken bringt: Nachdem sie in den letzten Jahren das Gebiet zersplittert und Teile zusammen mit Islamisten besetzt hat, nehmen Bombardierungen und Drohnenangriffe durch die türkische Armee sowie Angriffe von türkischen Söldnern und verbündeten islamistischen Gruppen gegen die kurdische Bevölkerung und ihre Sicherheitsstrukturen aktuell bedrohlich zu.

Wichtig ist revolutionäre Solidarität nicht allein als „selbstlose Unterstützung“ zu verstehen, sondern als Teil eines realen gemeinsamen Kampfes, an dem die linke Bewegung hierzulande ihre Wirkmacht ausbaut, aus den Erfahrungen anderer lernt, aber auch real etwas bewirkt. Grenzübergreifenden Unterstützungsaktionen bestärken die Kämpfer:innen in Kurdistan und sind Teil einer internationalen politischen Verständigung. Aktionen und Mobilisierungen gegen deutsche Rüstungskonzerne und ihre Türkei-Deals, gegen das PKK Verbot, Informations- und Spendenkampagnen zur Unterstützung der kurdischen Guerilla – Möglichkeiten für eine fruchtbare internationalistische Arbeit gegen Krieg und mit deutlich antikapitalistischer Perspektive gibt es genug.

Im Angesicht einer herrschenden Klasse in Deutschland, die verstärkt und selbstbewusst ins Weltgeschehen eingreift, ist eine Massenbewegung gegen die Kriegsgefahr ohne Frage notwendig. Wichtig ist aber nicht in erster Linie, wie breit das Spektrum einer solchen Mobilisierung aus dem Stehgreif ist, sondern wie ihre Konturen aussehen. Den Zusammenhang zwischen verschärften Angriffen deutscher Konzerne und der Regierung auf die Arbeiter:innenklasse im Innern und der Aggressivität nach Außen aufzuzeigen ist das Eine. Ebenso wichtig ist aber die Frage nach der Aktionsfähigkeit einer Bewegung. Ob sie gegen Pseudo-Antikriegs-Ansätze von Rechten und Reaktionären bestehen kann, die 2014 zuletzt größeren Einfluss auf eine diffuse und kurzlebige aber bundesweite „Friedensmobilisierung“ zur Ukraine hatten, hängt damit zusammen, ob sie eine offensive Praxis entfalten kann und ob sie in erster Linie eine antikapitalistische Prägung hat, oder nicht. Allein die berechtigte Kriegsangst oder die Ablehnung des US-Imperialismus in der Breite der Bevölkerung zu mobilisieren, läuft Gefahr den Rechten in die Hände zu spielen und Passivität und Frust in der Linken zu befördern.

Reale Kämpfe gegen Besatzung, Rüstungsindustrie und Militarisierung als Bezugspunkte, praktische Interventionen gegen die Kriegstreiber vor der eigenen Haustüre und nicht zuletzt das Verständnis von Antikriegs-Politik als Teil von revolutionärer Gegenmacht, die den Bruch mit dem gesamten Kapitalismus vorbereitet – Das können Eckpunkte einer solchen Bewegung sein. Es liegt an uns, sie zu konkretisieren.

NATO-Aggression gegen Russland: Das Spiel mit dem Feuer

Das derzeit brisanteste Projekt des NATO-Verbunds ist die aggressive Mobilmachung gegen Russland. Die Kriegsallianz hat mit der EU im Rücken eine Situation geschaffen, in der ein Krieg der Machtblöcke nicht mehr auszuschließen ist, weil die Kontrolle über die komplexe Situation allen Beteiligten entgleiten könnte. Der Hintergrund der Eskalation ist mitnichten die Mobilisierung russischer Truppen entlang der ukrainischen Grenze, ebensowenig sind es angebliche und unbewiesene Pläne eines russischen Einmarschs in die Ukraine, die auch dadurch nicht realer werden, dass nahezu täglich vor ihnen gewarnt wird, um immer neue Drohungen gegen Russland aussprechen zu können. Auf der anderen Seite haben die ursprünglichen Pläne der Ukraine, den Krieg gegen die Teilrepubliken im Donbass weiter anzuheizen zwar die russische Truppenmobilisierung ins Rollen gebracht, sie sind aber nicht der strategische Kern der Kriegstreiberei.

Eine wesentliche Triebfeder des Konflikts sind Interessen des US-Imperialismus:

Das langfristige Projekt der USA, den kapitalistischen Konkurrenten Russland mit der Osterweiterung der NATO auf westlicher Seite einzukreisen, ist in den letzten 30 Jahren beachtlich vorangeschritten: 14 osteuropäische Staaten wurden seit 1999 in den Militärpakt eingegliedert und zehntausende Soldaten regelmäßig zu Manövern in Osteuropa zusammengeführt. Die USA stellt aktuell die Weichen, um diese Strategie mit der Einbindung der Ukraine weiter voranzutreiben. Das ist nicht zuletzt auch ein Aufbäumen gegen ihre schwindende Bedeutung als Weltordnungsmacht gerade auf dem europäischen Kontinent. Vorschläge Russlands zur Deeskalation der aktuellen Lage, die eine Neutralität der Ukraine zur Voraussetzung hatten, wurden von Biden persönlich in den Wind geschlagen. Hinzu kommt, dass fast 40% der Gas-Importe der EU aus Russland kommen, was den US-Energiekonzernen, die zur globalen Nummer 1 in Sachen Flüssiggasexporten angewachsen sind und auch den europäischen Markt erobern wollen, ein Dorn im Auge ist. Sie leiten schon jetzt Vorbereitungen dafür ein, die Flüssiggas-Versorgung Europas zu übernehmen. Die Freigabe US-Waffen aus den baltischen Staaten und Großbritannien an die Ukraine zu liefern, der Abzug von diplomatischem Personal aus der Ukraine, Behauptungen von bevorstehenden von russischen False-Flag-Aktionen, die Versetzung von 8500 US-Soldaten in erhöhte Bereitschaft für einen Einsatz in Osteuropa – das alles zeigt: Die USA sind die Impulsgeber einer Kriegsmobilisierung, die Druck aufbauen und den westlich-imperialistischen Block hinter ihren Interessen zusammenschweißen soll. Ein heißer Krieg mit Russland liegt dabei sicher nicht im unmittelbaren Interesse des US-Kapitals und doch spielen ihre Kriegsstrategen mit dem Feuer.

Die EU, insbesondere die NATO-Staaten Deutschland und Frankreich, stehen in der Auseinandersetzung zwar am Rand, bemühen sich aber eigene Interessen geltend zu machen, die alles andere als einheitlich sind. Einflussreiche Teile des deutschen Kapitals mit den Grünen an der Spitze orientieren sich vor allem an den USA und beteiligen sich z.B. mit anhaltenden Forderungen nach Waffenlieferung offensiv an Drohgebärden gegen Russland. Die Ausweitung der EU Einflusssphären in den Osten, die weitere Militarisierung der EU-Außenpolitik sind handfeste Perspektiven und gleichzeitig stehen wirtschaftliche Optionen im Raum, etwa die Ukraine von der Kornkammer der EU weiter zum Quellenland für regenerative Energien auszubauen. Dem stehen in der gesamten EU, vor allem aber in Deutschland starke Handelsbeziehungen nach Russland gegenüber. Das betrifft nicht nur den Energieimport, sondern auch den Export von Maschinen, Fahrzeugen/Fahrzeugteilen und chemischen Produkten – 2019 z.B. in einem Gesamtwert von 26,5 Milliarden Euro! Die Durchsetzung der Nord-Stream 2 Pipeline entgegen US-Interessen lässt das Gewicht dieser Kapitalfraktionen erahnen.

Warum das russlandfeindliche Klima auf beiden Seiten des Atlantiks dennoch prägend ist, lässt sich vor allem damit erklären, dass sich der Staat in den vergangenen 20 Jahren nicht wie ein Großteil anderer osteuropäischer Staaten ausplündern und zur verlängerten Werkbank des imperialistischen Westens machen ließ. Was darüber nur nicht vergessen werden darf, ist dass Russland die Klassenherrschaft der Kapitalist:innen ebenso befestigt wie ihre Gegenspieler im Westen. Es zählen die Interessen von Großkonzernen und Oligarchen, rechte und faschistische Kräfte sind stark und im Staatsapparat verankert, während zu reaktionären Staaten wie Syrien und dem Iran gute Beziehungen gepflegt werden.