Die Aktion…
Eine Woche nach dem dezentralen Aktionstag und zwei Tage nach Beginn des Rondenbarg-Prozesses zog eine laute und kämpferische Demo durch die Hamburger Innenstadt. An der bundesweiten Aktion beteiligten sich bis zu 3500 GenossInnen, die sich in verschiedenen Blöcken einordneten: Einem Soliblock für die inhaftierten Antifas Lina, Dy und Jo. Außerdem Blöcke von IL, von anarchistischen GenossInnen, ein Jugend- und ein YoungStruggle-Block, sowie ein revolutionärer Block, den wir gemeinsam mit befreundeten Strukturen organisierten. Hier beteiligten sich etwa 1500 GenossInnen aus verschiedenen Städten. Neben der Hamburger Mobilisierung gab es dafür Anreisen aus München, Karlsruhe, Duisburg, Köln, Lübeck, Kiel, Magdeburg, Stuttgart, Villingen-Schwenningen, Tübingen und Weiteren.
Schon zu Beginn der Demonstration präsentierten sich die Bullen mit einem massiven Aufgebot vor Ort. Die Zuganfahrt aus Lübeck wurde am Hamburger Hauptbahnhof kurzzeitig festgehalten und zur Personalienabgabe gezwungen. Versuche ein engeres Spalier um die Demo ziehen, konnten mit Demostopps allerdings zurückgewiesen werden. Der Druck der gemeinsam handelnden Demo reichte in diesem Fall aus, um die Bullen wieder auf Abstand zu bringen. Abgesehen hiervon hielten sie sich im Gesamten weitestgehend zurück.
Die Demonstration wurde von verschiedenen Redebeiträgen unterfüttert. Mit den Angeklagten im Parkbankprozess und im Rondenbargverfahren kamen Betroffene mit ihren Perspektiven zu Wort. Weitere Redebeiträge kamen von der Roten Hilfe Hamburg, der IL, Young Struggle und von uns. In unserer kurzen Rede gingen wir vor allem auf die Bedeutung von Repression für die Herrschenden in der Krise ihres Systems und für uns im revolutionären Aufbau ein. Darauf, dass Straßenpraxis und Organisierung die einzigen Antworten auf Repression sein können, die uns in die Lage versetzen, sie zurückzuschlagen (Redetext ist unter dem Artikel angehängt). Zum Ende der Rede wurden rote Bengalos im Block entzündet. Die Moderation begleitete die Demonstration durchweg mit kämpferischen und klaren Ansagen an die Bullen und mit inhaltlichen Kurzbeiträgen u.a. zur unabdingbaren Rolle von Frauenkampf und dem Kampf gegen das Patriarchat in der revolutionären Bewegung.
Der revolutionäre Block prägte das Demonstrationsbild durch organisierte Reihen mit Seilen an der Seite. Für einen starken politischen Ausdruck gegen Klassenjustiz und für eine selbstbestimmte Straßenpraxis wurde nicht nur mit roten Fahnen, Schildern und lautstarken Parolen gesorgt. Auf Höhe des Gänsemarktes wurde eine Top- Transpiaktion mit der Aufschrift „FREE JO, DY & LINA“ mit Bengalos und Feuerwerk begleitet. Ansätze von Organisierung wurden durch vorbereitete Aktionen und kollektives Auftreten auch ganz praktisch auf die Straße getragen. In der gesamten Demonstration wurde immer wieder Pyrotechnik gezündet, im Gängeviertel begrüßten GenossInnen auf einem Dach die Demo mit einem langen Soli-Feuerwerk.
…und ihre Hintergründe
Springers „Welt“ kündigte im Zusammenhang mit dem Rondenbarg-Verfahren und in einem Atemzug mit der Soli-Demo sensationsheischend „Anschläge gegen Sachen und Sabotageakte“ an. Diese „Erkenntnisse“ – ohne auch nur einen konkreten Anhaltspunkt – kommen aus der Pressestelle des LKA Hamburg, das nicht zufällig gerade jetzt Behauptungen in die Welt setzt, die genauso zielsicher an einem beliebigen Stammtisch entstanden sein könnten. Genausowenig ist es Zufall, dass der Verfassungsschutz auf der Homepage der Stadt Hamburg am 3. Dezember, dem ersten Prozesstag davor warnt, sich an der Antirepressions-Demo zu beteiligen. Wörtlich: „Wer an dieser Versammlung teilnimmt, macht sich mit gewaltorientierten Linksextremisten gemein“.
Die Hetze ist die Reaktion darauf, dass wir ihre Repression als einen Angriff auf die bundesweite Linke begreifen und beginnen gemeinsame Antworten zu entwickeln. Dies nicht nur in Worten, sondern in Form einer wirklichen Praxis.
In der Berichterstattung zum Beginn des Rondenbarg-Verfahrens musste selbst das Boulevard-Blatt MOPO einräumen, dass die Bullengewalt und der Versuch Kollektivstrafen für Demonstrationsteilnahme einzuführen, den eigentlichen Kern des Prozesses bilden. Es ist unbedingt notwendig, hier als RevolutionärInnen und Linke weiter Stellung zu beziehen, den G20-Widerstand zu verteidigen und die Angeklagten in diesem Prozess von noch ungekannten Ausmaßen nach Kräften zu unterstützen. Wir haben das Gipfelspektakel nicht den Herrschenden überlassen und werden das Feld gerade jetzt, wo sie gegen Einzelne zurückschlagen, erst recht nicht räumen.
Die G20-Offensive der Klassenjustiz bedeutet eine neue Qualität der Repression auf der Ebene der eingesetzten Mittel. Gleichzeitig zeigt sie, wie offen sich der bürgerliche Staat auf weitere Zuspitzungen der kapitalistischen Krise vorbereitet: Mit systematischer Repression gegen linke Straßenbewegungen, mit neuen Schlägen gegen revolutionäre Organisierungsansätze, wie die Kriminalisierung des Roten Aufbau Hamburg. Es ist wenig verwunderlich, dass sie dort zum Einsatz kommt, wo das kapitalistische System als Ganzes in Frage gestellt und gerade in Krisenzeiten Alternativen aufgezeigt werden.
Ein kriselndes politisches System, das lange nicht mehr die Legitimität in der Bevölkerung genießt, die in den vergangenen Jahrzehnten noch für eine gewisse Stabilität gesorgt hat und eine politische Gesinnungsjustiz im Sinne der Herrschenden: Das kann Solidarität und gemeinsame Aktivität in einem breiten Spektrum fortschrittlicher Bewegungen bestärken, vorausgesetzt wir drücken uns nicht davor, das aktiv in die Hand zu nehmen. Die Demo hat gezeigt, dass zumindest größere Teile der radikalen und revolutionären Linken das auch so sehen. Für die revolutionäre Linke wird hier außerdem klar, wie wichtig Organisation und ein langfristiger Schutz gegen staatliche Angriffe sind, wenn wir unsere Politik ernst nehmen.
Die Demo war in Ergänzung zum dezentralen Aktionstag mit Aktionen in 19 Städten ein wichtiges Zeichen der Handlungsfähigkeit. „Gemeinschaftlicher Widerstand“ als Ausdruck gemeinsamer Praxis und einer Solidarität, die tatsächlich organisiert wird. Nicht nur in gegenseitigen Bezugnahmen und auf die lokale Solidaritätspraxis beschränkt – auch wenn das die Grundlage für jede überregionale Arbeit bleiben muss.
Der weitere Prozess gegen die fünf GenossInnen wird lang, zäh und ein großer Kraftakt für die Angeklagten, die beteiligten politischen und Solidaritätsstrukturen. Umso wichtiger die Demo als starken Auftakt dafür zu begreifen!
Für mehr gemeinschaftlichen Widerstand!
Für Solidarität im revolutionären Aufbauprozess!
Demorede von Perspektive Kommunismus:
Hallo liebe Genossinnen und Genossen!
Um das Treffen derjenigen abzusichern, die weltweit am meisten für Krieg, Ausbeutung und Umweltzerstörung im Interesse einer kleinen Minderheit verantwortlich sind, hat der Staat 2017 alle Register gezogen: Demonstrations- und Campverbote, beinahe unbegrenzte Polizeigewalt und eigens erlassene Gesetze sollten jeden Protest und Widerstand verhindern.
Wie wir alle wissen, kam es anders. Tausende haben der Bürgerkriegsarmee von Scholz und Dudde trotz aller Repressalien vielfältigen Widerstand entgegengesetzt und ließen die Law-and-Order Freunde zeitweise recht alt aussehen.
Warum der Prozess aber jetzt, dreieinhalb Jahre später und mit völlig unklarem Ergebnis, eröffnet wird lässt sich nicht alleine aus dem Rache-Bedürfnis für den erlittenen Kontrollverlust erklären.
Der Prozessbeginn fällt zusammen mit dem 129-Verfahren gegen den Roten Aufbau, der Verhaftung von Antifas in Stuttgart und Leipzig und zahlreichen weiteren Repressionsschlägen. Der gesellschaftliche Hintergrund dieser Repressionswelle ist die tiefe Krise, in die der Kapitalismus, befeuert durch Corona, schlittert. Beinahe täglich gibt es Meldungen über Betriebsschließungen und Entlassungen. Die Schäden die die herrschende Produktionsweise an unserer Umwelt angerichtet hat, sind unübersehbar. Auch dass das politische System nicht wirklich krisenfest ist, ist erkennbar. Dass diese Situation Proteste im großen Stil hervorrufen wird ist ebenso zu erwarten, wie es für die Herrschenden schwierig werden könnte diese Proteste mit den bisherigen Methoden zu befrieden.
Dem Protest und Widerstand auf der Straße kommt dabei sowohl für uns, als auch für die Herrschenden zentrale Bedeutung zu: Denn trotz Digitalisierung und Social-Media, ist nach wie vor die Straße der wesentliche Ort, an dem Gegenmacht gegen dieses System der Krisen konkret wird. Sich selbstbestimmt, nach eigenen Regeln und ohne nach Erlaubnis zu fragen, die Straße zu nehmen, stellt den Machtanspruch des Staates sichtbar in Frage. Wie zentral für alle Seiten der Kampf auf der Straße in einer Situation der verschärften Krise ist, zeigen aktuell nicht zuletzt die Auseinandersetzungen in Frankreich.
Das ist der Grund warum für jede revolutionäre Bewegung die kämpferische Präsenz auf der Straße so elementar ist – und warum selbstbestimmte Demos wie die durch den Rondenbarg oft so hart verfolgt werden.
In diesem Kontext verfolgen die durchaus klassenbewussten Spitzenbeamten im Innen- und Justizministerium momentan mehrere Strategien um den erwarteten massenhaften Widerstand auf der Straße besser bekämpfen zu können: Einmal durch die Verschärfung der Polizeigesetze, die noch mehr Überwachung ermöglichen, die Polizei mit Geheimdienstbefugnissen ausstatten und sie mehr und mehr zur Bürgerkriegsarmee aufrüsten – in einigen Bundesländern inklusive Sturmgewehren und Handgranaten für jeden Streifenbullen.
Andererseits durch das, was der eigentliche Inhalt des Rondenbarg-Prozess ist: der Versuch alle Teile einer Demonstration für angebliche Straftaten einzelner zu bestrafen und damit Entsolidarisierung von vorneherein in jeden Protest zu tragen.
Allerdings ist die Frage, welche Form der Demonstration möglich und durchsetzbar ist nichts, was in den Räumen der Klassenjustiz entschieden wird, sondern eine Machtfrage, die noch immer auf der Straße ausgetragen wird!
Um hier erfolgreich zu sein, aus Fehlern lernen zu können und unsere Möglichkeiten Stück für Stück auszuweiten braucht es revolutionäre Organisierung. Organisierung ist die notwendige Bedingung um dem Kampf auf der Straße, in Betrieben und in allen anderen Bereichen, Kontinuität zu verleihen. Nur so entsteht und wächst revolutionäre Gegenmacht.
Unsere Antwort auf den Massenprozess um die Rondenbarg-Demo, auf 129-Verfahren und die Inhaftierung unserer Genossinnen und Genossen, wird nicht sein, nur noch nach den Vorstellungen der Polizei auf die Straße zu gehen! Unsere Antwort wird nicht sein, eine Organisierung, die den revolutionären Bruch mit dem Kapitalismus auf die Tagesordnung setzt, einfach zurückzufahren! Unsere Antwort kann nur sein, dass wir uns besser und ernsthafter organisieren, nicht zuletzt um in den wichtigen Kämpfen der jetzigen Krise auch auf der Straße bestehen zu können und so unseren Beitrag zu leisten, dieses System endlich auf den Müllhaufen der Geschichte zu befördern!
Freiheit für die Antifas aus Stuttgart und Leipzig, Freiheit für die Drei von der Parkbank und für alle anderen politischen Gefangenen!
Lasst uns der Klassenjustiz gemeinsam und entschlossen entgegentreten!