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Sicherheit ist eine Frage der Perspektive. Die „munich security conference“, die vom 17. bis zum 19. Februar zum 59. Mal in München stattfindet, steht für die exklusiven Sicherheitsinteressen der wirtschaftlichen und politischen Eliten des imperialistischen Westens. Das politische Führungspersonal des NATO-Lagers kommt hier mit hohen Militärs, Rüstungsindustriellen und Geheimdiensten zusammen, um ihren Anspruch globaler Vorherrschaft als demokratisches Happening zu inszenieren und um konkrete Absprachen zu treffen. Ihre Sicherheit hinterlässt seit Gründung der NATO 1949 eine globale Spur der Verwüstung und existenzieller Verunsicherungfür Millionen von Menschen: Krieg, Besatzung und die langfristige Zerstörung von Staaten und gesellschaftlichen Strukturen, die den eigenen geopolitischen und Profitinteressen im Wege stehen, gehören zum Wesen des Militärbündnisses.
Es ist kein Zufall, dass diese Struktur aktuell so umfassend, wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr als aktives Kriegsbündnis auftritt. Der Kapitalismus steckt in einer vielschichtigen Krise und produziert eine globale Situation, die geprägt ist von Blockformierung, Konkurrenz der Großmächte, aber auch von Widersprüchen innerhalb der Lager und der Tendenz dazu, ganze Regionen in Chaos und Krieg versinken zu lassen: Was im Nahen und Mittleren Osten und Teilen Nordafrikas schon Realität ist, könnte auch zum Schicksal der Ukraine werden. Wir bewegen uns auf eine Phase zu, in der die militärische Option immer ausschlaggebender für die Herrschenden wird, um eine Klärung oder Neuverhandlung der wackligen internationalen Kräfteverhältnisse voranzutreiben. Die Wahrscheinlichkeit, die Menschheit damit an den Rand des Abgrunds zu treiben, war lange nicht mehr so hoch wie heute.
Kriegseskalation? Volle Kraft voraus!
Der Krieg in der Ukraine ist ein Ausdruck dieser Situation, er hat nichts heldenhaftes an sich. Es ist ein Gemetzel, in dem sich Russland und das NATO-Lager auf dem Boden der Ukraine und auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung gegenüberstehen. Schätzungen gehen inzwischen von 100.000 Toten auf beiden Seiten aus und ein Ende ist nicht in Sicht. Russland ist vor fast genau einem Jahr zum Angriffskrieg übergegangen um seine Einflusssphären gewaltsam zu sichern und sich als militärische Großmacht zu behaupten. Auf der anderen Seite führt der imperialistische Westen seine vor Jahrzehnten begonnene Aggression gegen Russland an der NATO-Ostflanke nun mit allen zur Verfügung stehenden militärischen Mitteln fort, um den Gegenspieler im Osten langfristig zu schwächen. Einfache Leute aus den beteiligten Staaten, Menschen aus der Arbeiter:innenklasse, ob Soldat:innen oder Zivilist:innen, haben in diesem Krieg der Herrschenden nichts zu gewinnen.
Die Waffenlieferungen aus dem Westen, die inzwischen zum bestimmenden militärischen Faktor geworden sind, machen die Eskalationsspirale dieses Krieges deutlich: Während es für den Einsatz von Kampfpanzern unter anderem aus Deutschland an der Front nun (im wahrsten Sinne des Wortes) grünes Licht gibt, wird bereits das nächste Eskalationslevel geplant: Jetzt sollen auch Kampfjets her! Und das während Russland sich mit neuen Raketen aus dem Iran versorgen lässt und immer wieder mit dem Einsatz taktischer Nuklearwaffen droht. Die jüngste Aussage Selenskys – so realitätsfern sie auch ist – nun auch zur nuklearen Bewaffnung übergehen zu wollen, lässt erahnen, welches Risiko in der Auseinandersetzung steckt. Der Krieg, der nicht nur von den üblichen Verdächtigen der Kriegstreiberlobby, sondern auch von einer breit aufgestellten linksliberalen Front so gerne zum Freiheitskampf des Werte-Westens verklärt wird, hat das Zeug zum 3. Weltkrieg auszuwachsen. Und das ist nicht der einzige Brandherd: Auch im Indopazifik werden Kriegsvorbereitungen getroffen und militärische Reaktionen provoziert, die ungeahnte Ausmaße annehmen könnten. Hier geht es vor allem den USA darum eine Loslösung Taiwans von China voranzutreiben – und auch dort ist Bundeswehr schon jetzt mit Marine-Manövern aktiv. Ziel der westlichen Aktivitäten im Pazifik ist es China als Handelspartner und aufstrebende Wirtschaftsmacht zu bändigen und dessen Monopolbestrebungen zu verhindern.
Great Again…
Auch in der Ukraine sind es die USA, die neben Russland den Krieg vorantreiben. Und das aus guten Gründen: Russland als Partner ihres Hauptkonkurrenten China soll durch einen großangelegten Wirtschaftskrieg auf den Märkten (für den vor allem die Bevölkerung in den ärmeren Teilen der Welt und in den EU-Staaten zu zahlen hat) und durch einen langwierigen militärischen Abnutzungskrieg geschwächt werden. Das Ende der Energieversorgung der EU durch Russland eröffnet US-amerikanischen Flüssiggas-Produzenten einen riesigen neuen Absatzmarkt. Außerdem kann sie ihre Vormachtstellung unter den westlichen Imperialisten so zumindest kurzfristig retten, nachdem es wirtschaftlich schon länger bergab geht und die von ihnen angezettelten kriegerischen Abenteuer im Nahen und Mittleren Osten in den letzten Jahrzehnten alles andere als erfolgreich waren. Nebenbei ist auch ihr Einsatz verhältnismäßig gering: Die Folgen einer unkontrollierten Kriegseskalation werden diesseits des Atlantiks bezahlt werden. Und schon jetzt profitieren die USA von europäischen Konzernen, die ihre Produktion dorthin verlagern, weil der Wirtschaftskrieg gegen Russland die Energiepreise zwar in der EU, nicht aber in den USA explodieren lässt.
Wer abervon der Zeitenwende nicht reden will, soll auch vom US-Imperialismus schweigen
Der deutsche Imperialismus ist vorne mit dabei, wenn es darum geht, Interessen auch mit kriegerischen Mitteln durchzusetzen. Das war bereits in den vergangenen Jahrzehnten in den Kriegseinsätzen an der Seite seiner NATO-Partner und im EU-Rahmen der Fall und ist auch in der Ukraine nicht anders. Die große geostrategische Auseinandersetzung wird zwar nicht von Berlin angeführt. Aber bereits in den Zersplitterungskriegen gegen Jugoslawien gab es in der deutschen Bourgeoisie ein vitales Interesse an wirtschaftlich abhängigen, möglichst unselbstständigen westlich ausgerichteten Staaten im osteuropäischen „Hinterhof“. Und auch jetzt werden schon Pläne geschmiedet, um Arbeitskräfte, Absatzmärkte und nicht zuletzt auch den Wiederaufbau der hochverschuldeten Ukraine zu profitablen Einnahmequellen für westliches Großkapital zu machen – neben den USA, steht die EU unter deutscher Führung dafür bereits in den Startlöchern.
Der Wunsch nach einem absoluten Sieg über Russland wird hier ganz besonders von den Grünen propagiert. Sie stehen für eine immer intensivere deutsche Kriegsbeteiligung. Diese Rhetorik wird einem großen Teil der deutschen Presselandschaft eins zu eins übernommen. Grundlage dieses Kurses ist nicht nur eine zweifelhafte Doppelmoral, die den westlichen Kapitalismus zum Maß aller Dinge erklärt. Er hat auch einen materiellen Kern, nämlich die Option neuer, exklusiv westlicher Einflusssphären im Osten. Damit haben sich die transatlantisch orientierten Teile des deutschen Kapitals vorerst gegen diejenigen durchgesetzt, die zumindest zu Beginn des Krieges noch weniger enthusiastisch waren, weil sie sich steigende Profite im Ostgeschäft vor allem durch Handel und Kooperation mit der russischen Bourgeoisie versprochen hatten.
Mit dem Ukraine-Krieg sind in Deutschland aber nicht nur konkrete Interessen verbunden. Er hat auch den Impuls für einen insgesamt verschärften Kurs des deutschen Imperialismus gegeben: Die sogenannte Zeitenwende, die ein Wiederaufblühen des deutschen Militarismus im Innern und eine Politik vermehrter kriegerischer Einmischungen auf internationaler Ebene verspricht. In diesem Zusammenhang muss auch die Stimmung in der bürgerlichen Presse betrachtet werden, die unentwegt beklagt, wie schlimm es um die Ausstattung der Bundeswehr stehe und dass sie endlich zu einer „vollständig einsatzfähigen Truppe“ gemacht werden müsse. Scholz erklärte bereits, was er darunter versteht: „die größte Armee im europäischen NATO-System“. Der Startschuss zur Zeitenwende war das 100-Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr, die größte deutsche Aufrüstungsoffensive seit 1945, die schon kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine präsentiert und im vergangenen Sommer beschlossen wurde. Dass das wohl erst der Anfang ist, lässt sich am kürzlich erfolgten Rücktritt der Verteidigungsministerin Lambrecht (SPD) ablesen, die allem Anschein nach nicht energisch genug an der Optimierung der deutschen Kriegsbereitschaft gearbeitet hat. Der neue und offensiver auftretende Verteidigungsminister Pistorius (SPD), ließ schon jetzt verlauten, dass die 100 Milliarden nicht ausreichen werden.
Der neue Kurs der bürgerlichen Politik soll auch in die Köpfe der Bevölkerung gehämmert werden: Dazu trägt ein ausgelagerter Teil der diesjährigen „msc“bei: Die sogenannte „Zeitenwende on tour“, eine Veranstaltungsreihe, die seit letztem Herbst durch deutsche Städte tourt. Die Diskussionsveranstaltungen sind ein munteres Stelldichein hochkarätiger Kriegspropagandist:innen u.a. von den Grünen, der CDU, aus den Chefredaktionen deutscher Leitmedien und aus der Ukraine (Melnyk und Klitschko). Sie haben die Vertiefung und Verbreiterung des militaristischen Diskurses in der deutschen Gesellschaft zum Ziel – Alles wohlgemerkt als Teil einer Veranstaltung, die zwar von staatlicher Seite unterstützt und von tausenden Bullen abgesichert wird, aber eigentlich eine private Initiative ist. Finanziert und ermöglicht wird sie von Think-Tanks und Stiftungen, vor allem aber von einer ganzen Reihe von Konzernen wie Rheinmetall, Lockheed Martin, Airbus, Google, EnBW und BMW.
Revolutionäre Keime
Wer den Blick in diesen Zeiten nur auf die Initiativen der Gegenseite, auf die Schachzüge und das Zerstörungspotenzial der internationalen Kapitalistenklasse richtet, wird schnell verzweifeln. Die Krisensituation und ihre Symptome – imperialistische Kriege und Flucht, Teuerung und Verarmung, verschärfte Ausbeutung der Arbeiter:innenklasse – bringen aber immer auch Gegentendenzen auf den Weg: Demonstrationen und Blockaden, Besetzungen und Streiks, spontane Revolten, bewaffnete Kämpfe und langfristige Organisierungen für den Aufbau von Gegenmacht von unten sind Krisensymptome der anderen Art. Die Schwäche dieser Tendenzen hier bei uns, ihre Ungleichzeitigkeit, räumliche Entkopplung und mangelnde politische Verbindungen, machen es oft schwer, gemeinsame Potenziale zu erkennen, daraus Kraft zu schöpfen und eine gegenseitige Stärkung zu entwickeln.
Ein aktuelles Beispiel, das dieses Potenzial in sich trägt, ist der revolutionäre bewaffnete Kampf der kurdischen Befreiungsbewegung gegen den türkischen Staat. Die hohe taktische und strategische Intelligenz, Veränderungsfähigkeit, politische Verankerung und Überzeugung der Bewegung und ihrer Strukturen haben es nicht nur ermöglicht, dass die Guerilla seit über 40 Jahren existiert, noch immer kämpft und aktuell einem brutalen Vernichtungskrieg der zweitgrößten NATO-Armee standhält. Ihre besondere Qualität ist, dass sie allen Schwierigkeiten und Rückschlägen zum Trotz weiterhin die Initiative behält: Nur so konnte mit der Rojava-Revolution 2012 in Nordsyrien entgegen aller imperialistischen Interessen eine befreite Region demokratischer Selbstverwaltung erschaffen werden, die sich bis heute wacker hält. Und so hält die Guerilla auch das türkische Militär in den nordirakischen Bergen in Schach, trotz Giftgaseinsatz und technischer Überlegenheit des Gegners.
Nichts was dort geschieht, lässt sich einfach auf andere Teile der Welt übertragen. Und sicher unterscheidet sich der Weg der kurdischen Bewegung stark von dem, den es hierzulande zu entwickeln gilt. Wichtig ist aber: Rojava ist zu einem Sinnbild der Möglichkeit revolutionärer Macht und Veränderung auch im 21. Jahrhundert geworden und dahinter steht eine hochprofessionelle revolutionäre Organisierung.
Aus den Widersprüchen des Bestehenden entwickeln sich an verschiedenen Stellen Elemente, die in einem revolutionären Prozess zusammenfließen können. Einem Prozess hin zum Bruch mit der Herrschaft der Kapitalistenklasse, zum Bruch mit dem Zwang zur unendlichen Kapitalvermehrung und der ständigen Kriegsgefahr, hin zum Aufbau einer Ökonomie und Politik nach den Bedürfnissen und unter der Kontrolle der Mehrheit der Bevölkerung, hin zum Kommunismus.
→ Gegen die Kriegstreiber vor unserer Haustüre, die in der Ukraine mitmischen und an der Seite des türkischen Terrorstaates stehen.
→ Lasst uns einen Teil dazu beitragen, auch im Herzen der Bestie einen neuen Widerstand gegen Imperialismus und Krieg zu entwickeln!
18. Februar 2023 | 13 Uhr | Karlsplatz (Stachus) | Antikapitalistischer Block auf der Bündnisdemo
→ Und vor der Demo: Proteste gegen den rechten Aufmarsch von Querdenken, AfD und Compact. Widerstand ist links! (dazu mehr bei der Antifaschistischen Aktion München)